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Flüchtlinge
Plädoyer gegen Furcht und Angst

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Steht hinter dem Papst und Merkels Flüchtlingspolitik: Der Wiener Theologe Paul M. Zulehner mit seinem Vortrag „Entängstigt Euch“ in der Dreieinigkeitskirche.Foto: Oliver Bürkle
Nach Meinung des Wiener Theologen und Professors Paul M. Zulehner gibt es keinen Grund, sich vor Flüchtlingen zu fürchten. Stattdessen predigte er am Freitag in der Dreieinigkeitskirche Zuversicht. Die größte Furcht müsse man vor der Furcht selbst haben.

Ludwigsburg. „Entängstigt Euch“, so lautet die Antwort des Wiener Theologen Paul M. Zulehner auf die mit dem Zuzug von Flüchtlingen verbundenen Fragen. „Entängstigt Euch“, lautet auch der Titel eines Buches, das er im Jahr 2016 veröffentlicht hat. Mit dem Untertitel „Die Flüchtlingskrise und das christliche Abendland“ war der Vortrag überschrieben, den der 78-Jährige am Freitagabend in der Dreieinigkeitskirche gehalten hat.

Dabei handelte es sich um eine gemeinsame Veranstaltung von Katholischem Dekanat, Evangelischem Kreisbildungswerk und der Ökumenischen Fachstelle für Asyl. Bei einem Workshop am Samstag im Haus Edith Stein gab der Gast außerdem Anregungen, wie man im gesellschaftlichen Umfeld ganz konkret mit diesen Ängsten umgehen kann.

Das Interesse war groß, die Bänke in der katholischen Kirche gut gefüllt, als der Experte aus Österreich das Wort ergriff und den Blick auf eine Hauptursache der Flucht richtete, nämlich den Bürgerkrieg in Syrien. 95 Prozent der geflüchteten Syrer seien in der Türkei, Jordanien, dem Irak und dem Libanon untergekommen und nur fünf Prozent in andere Länder geflüchtet, machte er das Ausmaß des Flüchtlingszustroms in Europa und Deutschland deutlich.

Für Zulehner ist die massenhafte Flucht in den gelobten Westen nicht überraschend. Der Club of Rome, ein Zusammenschluss unterschiedlicher Experten, habe bereits im Jahr 1991 gewaltige Wanderbewegungen prognostiziert. Auch dass dieser Prozess bei der aufnehmenden Bevölkerung zu „defensivem Rassismus“ führe, hätten die Experten damals bereits zu bedenken gegeben.

Der Begriff Wirtschaftsflüchtling trifft nach Auffassung von Paul Zulehner eher auf Boris Becker oder Konzerne zu, die sich durch die Wahl ihres Wohnortes- oder Standortes, Steuerzahlungen entziehen. Für Menschen, die aus armen Ländern nach Europa fliehen, zieht er den Begriff Hoffnungsflüchtling vor. „In Europa ist die Zeit vorbei, in der wir uns in einer Wüste der Armut für eine Oase des Reichtums halten konnten“, so der Theologe.

In seinem Buch „Entängstigt Euch“, hat er das Ergebnis eine Online-Umfrage ausgewertet. Rund 3000 Menschen wurden danach gefragt, mit welchen Gefühlen sie den Zuzug von Flüchtlingen betrachten. Demnach zeige sich die Hälfte besorgt, ein Viertel signalisiere dagegen Zustimmung. 17 Prozent der Befragten zeigen Ablehnung und fordern sogar drastische Maßnahmen, wie den Bau von Zäunen, um sich zu schützen. Sie hätten Angst vor dem sozialen Abstieg, Verlust des Arbeitsplatzes, vor Überfremdung oder einfach nur die Befürchtung, im Leben zu kurz zu kommen, so der Professor.

Warum reagieren Menschen trotz der gleichen Realität, der gleichen Fakten und der gleichen Bilder unterschiedlich? „Die Entscheidung fällt in der Persönlichkeit“, so Zulehner. Die Angst sei kein moralisches Versagen, sondern Anzeichen für die Verwundung der Seele.

Auch wenn Europa durchaus durch das Christentum geprägt sei, habe es sich längst zu einer Heimat für Menschen anderer Religionen und Konfessionslose entwickelt. Wenn Christen eine Islamisierung befürchteten, würden sie damit nur ihre eigene Glaubensschwäche zum Ausdruck bringen, ist der Theologe überzeugt.

„Das Einzige, was wir zu fürchten haben, ist die Furcht selbst“, zitierte Paul M. Zulehner den amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt (1882-1945). „Angst ist das Gegenstück zu Vertrauen und Lieben können“, münzte der Theologe diese Aussage auf die Gegenwart um. Schließlich bestehe das Ziel der Religion darin, Menschen zu befähigen, lieben zu können. Auch Menschen aus anderen Ländern seien Ebenbilder Gottes, hätten die gleiche DNA und kämen in den gleichen Himmel.

Für ihn ist es wichtig, im Umgang mit Flüchtlingen auf die „Dreifaltigkeit der Integration“ nämlich Sprache, Wohnen und Arbeit zu setzen. Zunehmend an Bedeutung gewinne aber auch der interreligiöse Dialog sowie Begegnungen, die den Flüchtlingen Gesichter und Geschichten geben.

Paul M. Zulehner ist auch Begründer der Initiative „Pro Pope Francis“, die sich ausdrücklich hinter Papst Franziskus und seine Bemühungen stellt, sich für die Schwachen in der Gesellschaft stark zu machen und die Barmherzigkeit der Kirche wieder in den Mittelpunkt zu rücken.